«Die Perspektivlosigkeit kostet mehr»

Die Psychiaterin und Flüchtlingsexpertin Fana Asefaw über den Angriff eines Eritreers im Zürich HB und Mängel des Asylwesens.

Interview von Sven Hoti (Limmattaler Zeitung)

Am 12. Februar schlug ein Eritreer im Zürich HB mutmasslich grundlos auf zwei Frauen ein. Was geht in einer Person vor, die so etwas macht?
Fana Asefaw: Aus meiner Erfahrung mit ähnlich gelagerten Fällen kann ich sagen, dass sich solche Personen in erster Linie in einem psychotischen Zustand befinden. Es kommt zur Realitätsverkennung. Sie haben Angst und fühlen sich bedroht.
In so einer Situation ist das Gegenüber zum Beispiel ein Teufel. Die Betroffenen haben auch Halluzinationen: Jede Person, die sich bewegt, könnte in ihren Augen ein Messer zücken. Es ist keine Entschuldigung für diese Tat. Diese Leute bräuchten Medikamente und therapeutische Begleitung, um zurück zur Realität zu finden.
Ohne Behandlung werden sie manchmal auch suizidal oder aber verletzen ihr Gegenüber. Sie therapieren unter anderem Geflüchtete mit Traumata.

Sie sagen, Menschen unterschiedlicher Herkunft hätten oftmals ein anderes Krankheitsverständnis. Was meinen Sie damit?
Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund denken oft, dass ihr Körper der Grund dafür ist, dass sie sich emotional nicht gut fühlen. Psychiatrische Erkrankungen hingegen sind eher negativ behaftet, da sie in ihren Heimatländern ganz andere Probleme haben.
Sie sind häufig mit Krieg und schweren Lebenskrisen grossgeworden, psychische Probleme haben keinen Platz. Hingegen spielen bei der Problembewältigung die Familie und pflanzliche Mittel eine zentrale Rolle. Diese Menschen sind gezwungen, ihren Alltag irgendwie zu bewältigen. Sie können es sich nicht leisten, nicht zu funktionieren.

Weiterlesen im PDF

Anmeldung zur Warteliste